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Stellungnahme des Vorstands der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs) und der DGPs-Interessengruppe Klinische Kinder- und Jugendpsychologie und Psychotherapie zum Film „Elternschule“
Das Behandlungskonzept der Gelsenkirchener Klinik, welches im Dokumentarfilm „Elternschule“ zu sehen ist, richtet sich an Kinder, Familien und Eltern mit einem langen Leidensweg und schweren, chronifizierten Regulationsstörungen wie exzessivem Schreien, Schlafstörungen und Essstörungen. In den behandelten Familien haben sich über einen langen Zeitraum ungünstige Umgangsmuster zwischen Eltern und Kindern chronifiziert, die sowohl auf Seiten der Kinder als auch der Eltern zu großem Leiden und einer hohen Belastung führen. Aus dem Film wird deutlich, dass die dargestellte Behandlung für viele Familien buchstäblich die letzte Rettung auf einem langen Leidensweg ist.
Für einfache Erklärungsansätze, die solche Regulationsprobleme alleinig auf einzelne Faktoren zurückführen, wie negative Bindungserfahrungen, gibt es aktuell keine wissenschaftlichen Belege. Vielmehr legen Forschungsstudien ein Entstehen der genannten Störungen aus einem komplexen Zusammenspiel verschiedener Faktoren wie biologischen und genetischen Risiken, ungünstigen Lernerfahrungen, einer starken elterlichen Belastung, einem auffälligen Temperament des Kindes und ungünstigem Erziehungsverhalten nahe. Zudem zeigen Längsschnittstudien, dass unbehandelte Regulationsstörungen bedeutsame Schrittmacher für psychische Störungen des Kindes- und Jugendalters wie etwa ADHS oder Angststörungen sind und diese wiederum das Risiko für die Entwicklung psychischer Störungen des Erwachsenenalters erhöhen. Es ist daher dringend notwendig, diese negative Entwicklungskaskade so früh wie möglich durch wissenschaftlich überprüfte Behandlungsansätze zu unterbrechen. Das Behandlungskonzept der Klinik folgt den aktuellen wissenschaftlichen Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) und setzt dementsprechend an verschiedenen Punkten an, wie Aufklärung und Information der Eltern sowie Veränderungen des Erziehungsverhaltens und der Eltern-Kind-Interaktionen.
Zur psychotherapeutischen Behandlung der negativen Interaktionsmuster in den Familien ist auch die Veränderung von ungünstigen kindlichen Gewohnheiten unabdingbar, wie beispielsweise die Verweigerung von Nahrungsaufnahme oder aggressives Verhalten. Im Zuge dieser Veränderungsprozesse treten bei betroffenen Kindern häufig kurzfristige negative Gefühle wie Frustration oder Ärger auf, wenn angenehme oder gewohnte Aspekte der bisherigen problematischen Interaktion wegfallen (z. B. bestimmte Nahrungsmittel zu allen Mahlzeiten oder Hinauszögern des Zubettgehens). Es existieren keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass aus diesen vorübergehend auftretenden negativen Reaktionen auf Seiten der Kinder eine nachhaltige negative Entwicklung folgt oder Kinder gar „gebrochen“ werden – wie dies im Medienecho zum Film teilweise dargestellt wird. Im Gegenteil weisen wissenschaftliche Studien eindeutig darauf hin, dass durch angemessenes, klares und konsequentes Erziehungsverhalten wieder positive Interaktionen zwischen Eltern und Kindern entstehen können und Verhaltensweisen auf Seiten von Kindern und Eltern, welche die körperliche und psychische Entwicklung der Kinder längerfristig stark gefährden können, deutlich reduziert werden. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für eine gesunde psychische Entwicklung von Kindern.
Kontakt bei Rückfragen:
Prof. Dr. Julian Schmitz
Prof. Dr. Martina Zemp
Sprecher und Sprecherin der Interessengruppe Klinische Kinder- und Jugendpsychologie und Psychotherapie der Fachgruppe Klinische Psychologie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs)
Prof. Dr. Silvia Schneider
Sprecherin der Fachgruppe Klinische Psychologie der DGPs
Prof. Dr. Birgit Spinath
Präsidentin der DGPs
Prof. Dr. Julian Schmitz